An der Seite der Betroffenen – Ein Interview mit B.U.D.

von Marilú Gasparo

[Hinweis: In diesem Text findet ihr kursiv gedruckte Fachbegriffe. Falls ihr diese noch nicht kennt, scrollt ans Ende des Textes. Dort findet ihr ein Glossar mit Erklärungen.]

Jeden dritten Tag ereignete sich im Jahr 2023 in Bayern eine rechte Gewalttat. In konkreten Zahlen ausgedrückt, die sich auf Bayern ohne München beziehen, bedeutet dies 125 Angriffe und 164 Betroffene durch rechte Gewalt. Die meisten Angriffe sind rassistisch motiviert, gefolgt von Antisemitismus und politischen Anfeindungen sowie Angriffen auf Menschen, die der LGBTQ+ Community angehören. Diese Zahlen stammen aus den Beobachtungen einer Organisation namens B.U.D (https://bud-bayern.de/hintergrundpapier-rechte-angriffe-2023-in-bayern/). 

Aber was ist B.U.D. eigentlich? Wir fragen Ruby Parker, als Mitarbeiter:in von B.U.D. seit März 2024 für Presse und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Hallo Ruby! Vielen Dank, dass du  unserem Interview zugestimmt hast. Zuallererst: magst du uns erklären, was B.U.D ist? 

B.U.D. steht für Beratung, Unterstützung und Dokumentation und es ist eine Anlaufstelle für Betroffene von rechter, rassistischer und anti­semi­tischer Gewalt in Bayern.

Wir sind zuständig für alle Fälle in Bayern, außer für München. Dort gibt es eine andere  Anlaufstelle namens BEFORE.

Was macht genau B.U.D. genau?

Wir bieten Betroffenen von rechten, rassistischen, antisemitischen Angriffen oder Bedrohungen Beratung an.

Wir arbeiten im Sinne der Betroffenen parteilich und unabhängig von behördlichen Stellen.

Entscheidend für die Einordnung einer Tat als rechte, rassistische oder antisemitische Gewalt ist für die Beratungsstelle B.U.D. immer die Wahrnehmung und Einschätzung der Betroffenen. 

Die Einschätzung durch das Umfeld oder einzelne Behörden ist für uns nicht von Bedeutung. 

Welche Art von Unterstützung können die Betroffenen erhalten?

Wir unterstützen bei der Suche nach Therapeut*innen und Ärzt*innen und helfen beim Umgang mit Polizei und Justiz. Wenn Menschen, die sich bei uns beraten lassen, auf Sprachbarrieren stoßen, ziehen wir Sprachmittler*innen hinzu.

Oft hören wir von unseren Beratungsnehmenden,  dass die größte Unterstützung für sie darin bestand, einfach ernst genommen zu werden. Denn oft erfahrene Betroffene eine doppelte Diskriminierung dadurch, dass Institutionen und selbst das persönliche Umfeld Angriffe klein reden oder leugnen und werden somit erneut zum Opfer.

Dies kann dazu führen, dass Betroffene das erlebte Trauma nicht so schnell oder gar nicht verarbeiten können, was wiederum Unsicherheit und Misstrauen zur Folge hat. 

Unsere Klient:innen fühlen sich schon allein dadurch gestärkt und unterstützt, dass ihnen jemand zuhört. Ein Zuhören, das unvoreingenommen ist und immer auf ihrer Seite steht!

Wie kann man sich eine Beratung mit B.U.D. vorstellen? Wie geht es danach weiter?

Der erste Kontakt mit B.U.D. kann telefonisch oder per E-Mail erfolgen. Manchmal werden wir direkt von den Betroffenen kontaktiert, manchmal über eine Vermittlungsstelle, wie Polizei oder Asylberatungsstellen. Wieder andere Male sind wir diejenigen, die nach Bekanntwerden eines Ereignisses Hilfe proaktiv anbieten. 

Nach dem ersten Kontakt findet die eigentliche Beratung statt – telefonisch, online oder persönlich. Diese wird immer von zwei Mitarbeitenden des B.U.D.-Teams durchgeführt, und eventuell mit einem oder einer Sprachmittler:in. 

Während der Beratung werden die weiteren Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt. 

Manche Klient:innen unterstützen wir einige Wochen lang, andere mehrere Monate oder sogar Jahre. Außerdem unterstützt B.U.D. nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Angehörige und Zeug:innen. 

Werden diese Beratungen nur auf Deutsch angeboten oder ist es auch möglich, sie in anderen Sprachen zu erhalten?

Unsere Angebote sollen möglichst barrierefrei sein, daher ziehen wir Sprachmittler*innen hinzu, damit sich die Menschen in unserer Beratung in ihrer Erstsprache ausdrücken können. 

Außerdem gibt es auf unserer Website die Möglichkeit, einige Informationen in sehr einfachem Deutsch oder auch in anderen Sprachen zu lesen. 

Eure Beratung und Unterstützung ist für Betroffene sicher sehr wertvoll und wichtig. Über das “B” und “U” in eurem Namen haben wir nun schon gesprochen. Kannst du uns noch mehr zum “D” erklären?

Neben der Beratung und Unterstützung dokumentiert B.U.D. auch Vorfälle rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Bayern. Wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, den Opfern eine Stimme zu geben, und deshalb dokumentieren wir die Angriffe  mit dem Einverständnis der Betroffenen und in anonymer Form. Die Vorfallsmeldungen veröffentlichen wir in unserer Chronik rechter Gewalt auf unserer Webseite, in den Sozialen Medien sowie im B.U.D. Newsletter.

Du hast von “rechter Gewalt” gesprochen. Was bedeutet rechte Gewalt? 

Es steckt eine politische Bedeutung hinter diesem Ausdruck, denn hinter rechter Gewalt steckt eine Ideologie der Ungleichwertigkeit verschiedener Gruppen.
Rechte Gewalt ist zudem als Botschaftstat zu verstehen. Das heißt, die Tat ist nicht an eine einzelne Person gerichtet, sondern auf die jeweilige vom Täter abgewertete Gruppe. Damit es verständlicher ist:

Wenn Menschen z. B. als muslimisch oder queer oder trans* markiert werden. Dann richtet sich der Angriff nicht nur direkt gegen die einzelne betroffene Person, sondern zielt auch das soziale Umfeld, bzw. die gesamte Community ab, für welche die betroffene Person – aus der Wahrnehmung der Täter*innen – stellvertretend stehen.

Rechte Gewalt kann überall passieren, auch im direkten Umfeld. Häufig kommen auch Betroffene zu uns, wenn sie rassistisch motivierte Gewalt oder Bedrohung im Nahumfeld erleben. Das umfasst z. B. die Nachbar*innenschaft, Arbeitsplatz oder Schule. Gerade in der Nachbar*innenschaft ist es besonders bedrohlich, da das eigene Zuhause ein sicherer Ort sein sollte.

Hast du den Eindruck, dass rassistische Tendenzen in Deutschland in den letzten Jahren zugenommen haben? 

Was könnte dazu beitragen, diese wieder zurückzudrängen?

Die Fragen sind schwierig in ein paar Worten zu beantworten. Was wir aber sagen können, gerade auf das letzte Jahr bezogen, konnten wir klar einen Anstieg der Beratungsanfragen verzeichnen. 

Aus unseren Beobachtungen geht hervor, dass sich die meisten Betroffenen aufgrund von Rassismus (52%) und Antisemitismus (16,8%) an uns wandten. Und auch bundesweite Beobachtungen zeigen ähnliche Zahlen.

Gleichzeitig beobachten wir viele Proteste gegen Rechtsextremismus. Wir hoffen außerdem, dass mehr Information zu einem Rückgang der rechtsextremen Gewalt führen wird. Es ist wichtig, den Betroffenen und Ereignissen eine Stimme zu geben, um das Bewusstsein zu schärfen. Damit dies gelingt, tun wir unser Bestes.

Vielen Dank für das Gespräch, Ruby, und für eure wertvolle Arbeit! 

Liebe Lesende, 

wenn ihr die Arbeit von B.U.D. finanziell unterstützen möchtet, findet ihr hier weitere Infos: https://bud-bayern.de/spenden/

Glossar: 

Beratungsnehmende

Das sind Menschen, die B.U.D. aufsuchen, wenn sie beraten werden oder Unterstützung möchten. Das können Menschen sein, die selbst einen rechten Angriff erlebt haben, Zeug*in oder Angehörige sind.

Beratungsstelle

Es gibt verschiedene Beratungsstellen, die sich auf bestimmte Themen spezialisiert haben. B.U.D. ist eine Anlaufstelle für Betroffene von rechter Gewalt. Die Beratung ist vertraulich, kostenlos, auf Wunsch anonym und findet an einem neutralen Ort statt, dies kann z. B. ein Beratungsraum in einer öffentlichen Einrichtung in der eigenen Stadt sein. – B.U.D. organisiert den Raum.

Betroffene, Angehörige, Zeug*innen

Betroffene Menschen können in diesem Zusammenhang Menschen sein, die direkt betroffen sind, also selbst einen Angriff erlebt haben oder auch indirekt, z. B. weil sie Zeug*in oder Angehörige sind.

Zeug*innen sind Menschen, die einen Vorfall beobachtet haben.

Angehörige können z. B. Bekannte, Freund*innen, Verwandte oder (Wahl)Familie sein. 

Sprachmittler*innen

Das sind Menschen, die Gesprochenes gleich in die benötigte Sprache übersetzen. Sprachmittler*innen können in Beratungsgesprächen und in anderen Terminen dazu geholt werden, z. B. zu Terminen bei der Polizei oder im Gericht. Bei B.U.D. kommen für die Beratungsnehmenden keine zusätzlichen Kosten auf sie zu.

Ideologie der Ungleichwertigkeit

Das sind Weltanschauungen, in denen die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen grundlegend abgelehnt werden. Dazu gehören u. a. Rassismus, Antisemitismus, …

Vorfallsmeldungen / ChronikB.U.D. sammelt rechte Vorfälle aus Zeitungen oder Polizeiberichten und veröffentlicht diese in der Chronik. In der Chronik werden auch eingeschickte Meldungen von Zeug*innen oder Betroffenen veröffentlicht. Diese Meldungen werden Vorfallsmeldung genannt. Das Ziel: Rechte Gewalt in Bayern sichtbar machen.
Chronik: https://bud-bayern.de/category/chronik/

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