In unserer neuen Reihe erzählen uns Clubbesucher*innen aus ihrem Berufsalltag. Heute lernen wir Anton* kennen. Er arbeitet als Altenpfleger in einer Einrichtung in Oberbayern.
Was machst du beruflich? Seit wann übst du diesen Beruf?
Ich mache zurzeit eine Ausbildung zur Altenpfleger und befinde mich momentan in meinem 3. Ausbildungsjahr.
Wie bist du zu diesem Beruf gekommen?
Ich glaube, ich war einfach neugierig, was Senior*innen denken oder was ihnen in ihrem Alter wichtig ist, wie sie gerne ihre Freizeit gestalten und wieso? Da ich in meinem Leben eigentlich nie ältere Menschen um mich herum hatte, war ich wirklich interessiert, wie Senior*innen eigentlich ihr Leben leben. Ja, und ich habe in meine 2 Jahren als Azubi herausgefunden, dass Senior*innen nicht viel anders sind, als jüngere Menschen. Sie essen und trinken, sie lesen Bücher, schauen fern, machen Spaziergänge, sie können nett oder böse sein, sie machen Witze. Vielleicht habe ich mich so an sie gewöhnt, dass ich keinen großen Unterschied mehr sehen kann.
Wie sieht dein normaler Arbeitstag aus?
Ich ziehe meine Arbeitskleidung an und gehe zur Station, wo ich gerade eingeplant bin. Das Team macht dann vor dem Dienstbeginn eine kleine sogenannte „Übergabe“, in der man über das Wichtigste für die bevorstehende Schicht bespricht. Wer bekommt Besuch, wem geht es aktuell nicht gut, muss jemand zum Arzttermin usw. Dann bekommt jede*r eine Gruppe von Bewohnern zugeteilt, für die man während seiner Schichtes zuständig ist. Die Anzahl der Bewohner ist stark von dem Personalmenge abhängig. Auf meiner aktuellen Station und Einrichtung ist man im Durchschnitt für 8 bis 10 Bewohner pro Schicht zuständig, was als “normale” Menge gesehen wird. Pro Schicht hätte ich dann für jede Bewohner*in ca. 15-20 Min bei der Grundpflege, was sehr wenig ist.
Erst man hilft den Bewohnern sich für das Frühstück vorzubereiten. Dann gibt es Frühstück. Danach sind die Betreuungskräfte da. Sie unterhalten die Bewohner*innen, durch verschiedene Spiele, Chor, gemeinsames singen, Bücher vorlesen, Gottesdienste, basteln. Manche Bewohner haben verschiedenste Termine. Genau wie Menschen außerhalb des Altersheimes. Danach gibt es Mittagessen, Mittagspause, Kaffee und Kuchen so gegen 15 Uhr, wieder Betreuung, Termine o.ä. Danach Abendessen, Abendversorgung und danach geht´s ins Bett. Das ist ein Arbeitstag grob beschrieben. Jetzt aber muss man im Kopf behalten, dass unsere Bewohner*innen hauptsächlich hilfsbedürftig sind, sonst wären sie ja nicht im Heim. Das heißt für jede der oben beschriebenen Tätigkeiten brauchen sie die Hilfe der Pflegekräfte, unter anderem beim Waschen des Körpers, beim sich An- und Ausziehen, Essen eingeben, beim Laufen. Es gibt Bewohner*innen, die nur leichte Unterstützung brauchen, aber es gibt auch Bewohner, die sich gar nicht mehr bewegen können.
Die Bewohner*innen müssen nach Möglichkeit sauber sein, gegessen, getrunken haben, Medikamente müssen eingenommen werden. Man sollte auch die notwendigen Maßnahmen ergreifen können, um Krankheiten vorzubeugen. Man sollte mit Bewohner*innen gut umgehen können, mit ihnen gut kommunizieren können, sie zum Aufstehen, Essen, Spaziergang o.ä motivieren können, wenn man gute Pflege ausüben möchte. Allerdings muss man dazu sagen, dass für die Senior*innen abgesehen vom Waschen keine dieser Tätigkeiten verpflichtend ist. Wenn der Bewohner etwas nicht machen möchte, egal ob es gerade für ihn schädlich ist oder nicht, dürfen wir auf keinen Fall jemanden zu irgendwas zwingen.
Jede Schicht dauert 8 Stunden mit einer halben Stunde Pause dazwischen.
Frühdienst: Anfang 6:30 Ende 15 Uhr Im Durchschnitt 4 Mitarbeiter
Spätschicht: Anfang 12:00 Ende 20:30 Im Durchschnitt 2 Mitarbeiter
Nachtschicht: Anfang 20:30 Ende 6:30 Im Durchschnitt 1 Mitarbeiter
Teildienst: 7:00 bis 10:00 und 14:00 bis 20:00 in gleichem Tag. Das heißt, man muss zweimal in die Arbeit gehen.
Welche Aufgaben musst du noch in der Arbeit erledigen, die man normalerweise nicht mit deinem Beruf verknüpft?
Die Vorbereitung des Essens. Wir müssen das Essen für die Bewohner teilweise bereitstellen, schneiden, schmieren o.ä. Die Küche aufräumen. Wir müssen nicht nur darauf achten, dass unsere Bewohner gepflegt sind, sondern auch deren Zimmern, Kleiderschränke, Badezimmer usw.
Auch übernehmen wir teilweise Betreuungsaufgaben. Man spielt mit den Bewohnern, liest ihnen etwas vor, schaut zusammen Fernseher oder einen Buch an oder hört etwas an. Natürlich man hat nicht immer für sowas Zeit, aber es gehört schon ab und zu dazu. Besonders wenn man diese Zeit selbst finden möchte.
Medizinische Behandlungen. Pflege ist nicht nur „waschen“. Dazu kommt Verbände wechseln, Injektionen verabreichen, Katheter wechseln oder auch die pflegerische Versorgung von einem künstlichen Darmausgang..
Was gefällt dir am besten in deinem Beruf?
Am besten gefällt mir die Interaktion mit den Senior*innen natürlich. Es gibt manche Senior*innen die zum Beispiel Demenz haben und sie können sich anders verhalten, als wir von Erwachsenen gewöhnt sind. Was sie sagen, ist ehrlich. Und auch ihr Verhalten ist ehrlich. Keine Masken und Spielerei mehr, was man normalerweise im Leben erlebt. Wenn sie wütend sind und dich nicht mögen, werden sie es nicht verstecken. Genau bei allen anderen Emotionen. Sie können ihre Kleider verkehrt herum anziehen, den Löffel falsch herum halten und versuchen damit zu essen, vollkommen nackt rumlaufen, denken dass eine Decke eine Mütze ist und viele andere Sachen, wo wir normalerweise denken würden “Das ist doch nicht normal!”. Es macht mir persönlich Spaß mit ihnen zu arbeiten, weil sie diesen Begriff “Normal” in Frage stellen. So wie die Bewohner*innen sich verhalten ist nämlich auch vollkommen normal. Es ist ihre Art von “Normal”, nicht unsere und wir müssen damit klar kommen. Und das gefällt mir am besten. Es ist wie ein andere Welt da auf der Gerontostation. Natürlich kann die Arbeit mit demenziell erkrankten auch herausfordernd sein. Man muss den Umgang mit ihnen erst mal lernen. Mir gefällt auch die Kommunikation mit den Senior*innen, die noch fit im Kopf sind. Sie können wirklich gute Ratschläge für das Leben geben.
Was findest du anstrengend in deinem Beruf?
Erstens kann mein Beruf physisch anstrengend sein, weil wir manche Bewohner haben, die relativ groß bzw. schwer sind und stark hilfsbedürftig sind. Auch wenn es zu wenig Personal gibt, sich Schichten ständig ändern oder man acht bis zehn Tage durcharbeitet. Da ist man am Ende sehr müde. Auch ist es anstrengend, wenn man acht Stunden lang einfach mit wenig Pausen immer hin und her laufen muss.
Zweitens, ich finde es kann psychisch auch belastend sein, wenn man ein bisschen sensibler ist. Viele Bewohner sind depressiv. Sie wissen nämlich, dass sie am Ende des Lebens sind. Sie bereuen vieles in ihrem Leben. Viele Bewohner*innen wollen nicht mehr leben und sie sagen das auch ständig. Und ja, man ist da immer in so einer Atmosphäre, wo alles ein bisschen traurig ist und dann muss man positiv bleiben können. Natürlich an guten Tagen geht es leichter, aber man hat selber auch schon schlechterer Tage, wo es nicht mehr so leicht geht, diese Stimmung auszuhalten.
Findest du, dass du gut und ausreichend für deine Arbeit verdienst?
Momentan als Azubi verdiene ich, soweit ich weiß, mehr als andere Azubis in andere Berufe. Als Alleinlebender, würde ich sagen es ist ausreichend für das Allerwichtigste im Leben, wie Miete, Essen, Tickets usw. Nach der Ausbildung sollte sich mein Lohn verdoppeln. Ich würde sagen, ausreichend ist mein Lohn schon, aber fair nicht. Für so einen physisch und psychisch belastenden Beruf, wo die Schichten sich ständig ändern, wo man ständig einspringen muss, wo man keine Stabilität hat wenn es um Dienstpläne geht, wo man auch an Feiertagen arbeiten muss. . Da denk ich mir dann okay, man könnte da schon mehr verdienen. Besonders wenn man hört, dass irgendjemand in anderen Berufen nicht nur ein bisschen mehr, sondern deutlich mehr verdient. Ich sage nicht, dass die anderen weniger verdienen sollten. Aber es wäre fair, wenn die Gehälter nicht nur in der Pflege, sondern auch in anderen bisher schlechter bezahlten Berufen, auf ein faires Niveau steigen würden. Vielleicht würden sich die Probleme mit dem Personalmangel auch schon lösen, wenn die Gehälter einfach besser wären.
Würdest du deinen Job wechseln, wenn du die Gelegenheit hättest?
Ja, ich würde meinen Job wechseln und ich werde es auch machen. Das liegt in erster Linie daran, dass ich auch etwas anderes ausprobieren möchte. Ich merke schon, dass mein Beruf mir nicht so viel Spaß macht. Und das Gehalt ist auch eine Sache, die mich zum Nachdenken bringt. Momentan bin ich noch jung, wohne alleine, aber irgendwann habe ich vielleicht Familie und für meine Kinder werde ich schon ein bisschen mehr Geld brauchen. Hinzu kommt, dass ich dann nicht ständig müde nach Hause kommen möchte, wenn ich Kinder und Familie habe. Dass mein Job, wie bereits erwähnt, physisch und psychisch belastend ist, ist auch ein Punkt, wieso ich meinen Job wechseln möchte.
Was wünschst du dir für dein berufliches Leben in der Zukunft?
Ich wünsche mir, dass ich aufstehe und gerne in die Arbeit gehe; dass meine Arbeit für mich wie ein Hobby ist; dass ich meine Arbeit mit Engagement mache; dass ich immer weitergehen möchte; dass ich endlich das finde, was mir wirklich Spaß macht. Ich merke schon, dass mir Psychologie sehr viel Spaß macht. Mein Ziel ist momentan Weiterbildungen und auch ein Psychologie-Studium zu machen. Und wer weiß,vielleicht werde ich in ein paar Jahren einen anderen Artikel schreiben mit einem Feedback, wie es alles bei mir gelaufen ist.