Wie ist es, Krankenpflegerin auf der Intensivstation zu sein

In unserer neuen Reihe erzählen uns Clubbesucher*innen aus ihrem Berufsalltag. Heute berichtet uns Marilu von ihrer Arbeit als Krankenpflegerin in München. 

Was machst du beruflich? Seit wann übst du diesen Beruf aus?

Ich bin Krankenpflegerin vom Beruf. Vor eineinhalb Jahren habe ich mein Studium als Krankenpflegerin in Italien abgeschlossen und bin seit acht Monaten auf der Intensivstation hier in München beschäftigt. Übrigens muss ich erwähnen, dass man in Italien ein Studium braucht, um Krankenpfleger*in zu sein. In Deutschland dagegen ist eine Ausbildung ausreichend. 

Wie bist du zu diesem Beruf gekommen?

Ich würde gerne sagen, dass ich schon immer davon geträumt habe, Krankenschwester zu werden, aber das wäre eine Lüge. Seit meiner Kindheit und bis zum Ende des Gymnasiums war es mein Traum, Ärztin zu werden. 

In Italien ist die Prüfung für die Aufnahme des Medizinstudiums sehr kompliziert, und obwohl ich mich sehr angestrengt habe, habe ich die Prüfung nicht bestanden. 

Ich wusste jedoch immer, auch wenn ich mit 18 noch weniger über mich selbst wusste, dass ich sehr engen Kontakt zu Menschen in der Arbeit haben möchte. Und so verfolgte ich meinen Plan B: ein Pflegestudium. Aber wie der Dalai Lama sagt: „Denken Sie daran, dass es manchmal ein wunderbarer Glücksfall sein kann, nicht das zu bekommen, was Sie wollten”. 

Und genauso war es für mich. Mein Plan B hat mir viel Glück mitgebracht. 

Wie sieht dein normaler Arbeitstag aus?

Der Arbeitstag eine*r Krankenpfleger*in hängt, zum Teil, von der Schicht ab, in der sie oder er an diesem Tag arbeitet. Wir arbeiten in Morgens-, Nachmittags- und Nachtschichten. Was jedoch in allen Schichten gemeinsam ist, ist die Tatsache, dass man, insbesondere auf einer Intensivstation wie meiner, von dem Moment an, in dem man die Übergabe von seinem Kollegen erhält, komplett verantwortlich für den Patienten ist. 

Ziel jeder Schicht ist es, auf die Bedürfnisse des Patienten oder der Patientin einzugehen und mit dem Team zusammenzuarbeiten, um den Zustand des oder der Erkrankten zu verbessern. 

Eine Pflegefachkraft ist auch für die Verabreichung von Medikamenten zuständig. Sowohl von intravenösen als auch von intramuskulären Medikamenten, von denen einige verdünnt und über Infusionspumpen verabreicht werden müssen. Auch die Geräte, die die Geschwindigkeit der Verabreichung regeln, haben wir im Blick. Außerdem sind wir für die Pflege und Hygiene der Patient*innen, die Wundversorgung und den Verbandswechsel zuständig. 

Wir sorgen zudem für eine ordnungsgemäße Atemfunktion durch Absaugen von Lungensekreten und die Pflege von sogenannten Tracheostomien. Das sind künstlich geschaffenen Atemöffnungen im Bereich des Halses. Bei Patient*innen, die sich selbständig nicht bewegen können, müssen wir darauf achten, regelmäßig ihre Position im Bett zu ändern. Denn andernfalls würde ihre Haut an der Stelle, auf der sie zu lange liegen, Schaden nehmen. Wir überwachen die sogenannten Vitalparameter der Patienten, wie etwa Temperatur, Blutdruck, Puls und sind verpflichtet, die Ärzte zu informieren, wenn wir bemerken, dass „etwas nicht stimmt“. Wir bereiten die Patienten auf diagnostische Untersuchungen vor, wie Röntgenbildaufnahme zum Beispiel. Die Patient*innen auf der Intensivstation sind nämlich 24/7 von Monitoren und Infusionen abhängig und können nicht selbständig zur Untersuchungen gehen. Wir berechnen die Flüssigkeiten, die in den Körper des Patienten gelangen und ihn verlassen. Es gibt noch vieles mehr, was zu unseren täglichen Aufgaben gehört. Doch wenn ich alles hier auflisten muss, werde ich damit heute nicht fertig.

Welche Aufgaben musst du noch in der Arbeit erledigen, die man normalerweise nicht mit deinem Beruf verknüpft?

Mehr als einmal bin ich gefragt worden: „Was machst du denn bei der Arbeit?”

Aber wenn mein*e Gesprächspartner*in nicht ein Kollege oder eine Kollegin von mir ist, oder ein Mensch, der im medizinischen Bereich arbeitet, dann fällt es mir immer schwer, diese Frage zu beantworten. 

Ich werde versuchen, diese Frage auf eine einfache und lustige Weise zu beantworten. Hätten Sie erwartet, dass eine*r Krankenpfleger*in Kabelsalate entwirrt? 

Um jedoch die Vitalparameter, wie Puls, Blutdruck und Temperatur eines Patienten 24 Stunden am Tag zu messen, brauchen wir Monitore voller Kabel, und das Gleiche gilt für die Verabreichung von intravenösen Medikamenten. Diese Kabeln verheddern sich sehr oft.. Kurz gesagt, ich ertappe mich oft dabei, dass ich während meines Arbeitstages Kabelsalate sortiere,  die irgendwann wieder zu einem Chaos werden. 

Was gefällt dir am besten an deinem Beruf?

Ich bin stolz auf meine Arbeit und glücklich, sie ausüben zu können, denn in einer Welt, die sich oft auf das Oberflächliche konzentriert, kehre ich jeden Tag an die Basis zurück, zu dem, was zählt: das Leben und die Dankbarkeit dafür. 

Was findest du anstrengend an deinem Beruf?

Es gibt Tage, an denen ich körperlich müde von der Arbeit nach Hause komme. Ich verbringe fast meinen ganzen Arbeitstag auf den Beinen und „renne“ von einem Patienten zum anderen. Aber wenn ich etwas wählen müsste, das mich am meisten belastet, dann ist es die Angst, dass ein Fehler die Gesundheit, wenn nicht gar das Leben eines Patienten kosten könnte. Eine Angst, die einen manchmal nach Hause und in den Schlaf begleitet, wenn man in seinem Kopf die Alarme der Monitore hört, die losgehen. Aber ich bin eine junge Krankenschwester, vielleicht gehen mit den Jahren wenigstens die Geräusche im Schlaf weg? 

Findest du, dass du gut und ausreichend für deine Arbeit verdienst?

Ich stelle fest, dass der Pflegeberuf in den meisten Ländern der Welt wirtschaftlich und gesellschaftlich immer noch nicht richtig anerkannt ist. 

Ich finde, dass unser Beruf oft als selbstverständlich angesehen wird.

Ich bin nicht unzufrieden mit meinem Gehalt, aber wenn ich einen Vergleich zu anderen Berufe ziehe, dann denke ich manchmal, dass wir doch wenig kriegen. 

Ich kapiere nicht, wie manche Berufe so viel mehr Einkommen einbringen können als anderen die genauso oder sogar mehr wichtig sind. Aber wer bin ich, um zu sagen, dass Pflege wichtiger als die Arbeit einer Bloggerin oder eines Fußballspielers ist?

Aber ist das, was eine Krankenschwester für einen Menschen tun kann, wirklich weniger wert als ein Instagram-Post einer Modebloggerin? 

Die Pandemie hat uns ins Rampenlicht gerückt und vielleicht dazu geführt, dass man uns Anerkennung zollt, aber ich denke, dass wir in vielen Zusammenhängen weiterhin Schritte unternehmen müssen, um für unseren Status wirklich Wertschätzung zu bekommen. 

Würdest du deinen Job wechseln, wenn du die Chance dazu hättest?

Ich habe im Moment nicht den Wunsch, den Arbeitsplatz zu wechseln. Ich bin jedoch froh, dass ich als Krankenschwester möglicherweise gleichzeitig etwas anderes in meinem Leben tun kann, sei es als Hobby oder für die Arbeit. Wie zum Beispiel mich sozial engagieren oder einfach mal mehr Sport machen, mehr lesen, oder schreiben. Etwas, das als Ärztin vielleicht weniger oder schwieriger hätte tun können.  Ich schließe nicht aus, dass ich in Zukunft meine Arbeitszeit reduziere, um andere Teile meiner Persönlichkeit zu kultivieren. 

Was wünschst du dir für dein berufliches Leben in der Zukunft?

Mein erster Wunsch für mein Berufsleben ist es, niemals meine Menschlichkeit zu verlieren, ein Risiko, das ich in meinem Beruf sehe. Ich meine damit, trotz der Müdigkeit, des Personalmangels, des Zeitdrucks und trotz der Patient*innen, die denken, dass die Pflegekräfte ihre persönlichen Diener sind, weiterhin auf die Bedürfnisse der Patient*innen einzugehen. Es ist nämlich leicht, wegen des Stresses, der körperlichen und psychischenMüdigkeit gefühlloser gegenüber den Patient*innen zu werden.

Mein zweiter Wunsch ist es derzeit, mehr Wissen und Werkzeuge zu erwerben, um mir und meinen Patient*innen mehr Sicherheit zu geben. 

Vielen Dank für diese Einblicke, Marilú!

Ein Kommentar

  1. Ich stimme absolut zu, dass der Beruf eines Krankenpflegers viel mehr Anerkennung verdient. So sehen es auch zahlreiche Freunde, die ebenfalls im Bereich der Pflege arbeiten. In jedem Fall sind sie sich aber einig, dass es ihr Traumberuf ist, und sie konnten schon viele noch unschlüssige Personen für den Job der Krankenschwester begeistern.

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