Von Aga Biernacka
Die einen feiern ihren Geburtstag besonders gerne (ich gehöre auch dazu :-D). Die anderen feiern gerne den Jahrestag ihrer Beziehung. Bei mir steht aber noch ein anderer Tag immer ganz fest im Kalender, den ich gerne feiere – 08.09. Das ist der Tag, an dem ich mich mit nicht mal 19 Jahren auf die Reise nach Deutschland gemacht habe, um mein Au-Pair-Jahr in München zu verbringen. Egal wo ich bin, ich benutze jedes Jahr diesen Tag, um zu reflektieren. Einfach kurz stehen zu bleiben, darüber nachzudenken und dafür dankbar zu sein, wo ich bin, wo ich vor einem Jahr war und was in dieser Zeit alles passiert ist. Heute, wenn ich diesen Artikel schreibe, sind genau 10 Jahre vergangen. Es macht mich ein wenig emotional, das gebe ich zu. Ein Drittel meines Lebens – einfach Wahnsinn. Es ist wirklich schwer in Worte zu fassen, was ich in dieser Zeit alles erlebt habe.
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, als mein Vater, zusammen mit meiner besten Freundin, mich zum Bahnhof gefahren hat. Ich habe es erst dann realisiert, was gerade passiert ist, als die Zugtür vor meiner Nase zuging. Aber dann war es schon zu spät. Ich kann mich genau an die einzelnen Haltestellen von Stettin nach München erinnern – Agermünde, Pasewalk, Berlin, Nürnberg und dann irgendwann mal spät am Abend endlich mal München Pasing. Ich kann mich auch an meinen ersten Sprachkurs erinnern, in dem ich meinen ersten guten Freund in Deutschland kennengelernt habe. Er hat mir damals vom ClubIn erzählt und dank ihm habe ich die nächsten 8 Jahre dort viel Zeit verbracht. Ich kann mich an den Tag unserer Test DaF-Prüfung erinnern und vor allem daran, wie müde wir nach dem ganzen Tag waren. Danach kam der lang erwartete Brief von der LMU mit der Zusage eines Studienplatzes im Fach Kommunikationswissenschaften. Ich kann mich genau erinnern, wie ich mit dem Umschlag im Haus meiner Gastfamilie saß und Angst hatte, ihn aufzumachen. Dann riesige Freude und natürlich, weil ich eben “ich” bin, direkt die große Angst, wie ich das Ganze nun schaffen soll. Ich kann mich an das erste Semester erinnern, als ich tagelang in der Bibliothek saß, um die wissenschaftlichen Texte für die Seminare zu lesen. Ich musste jedes dritte Wort übersetzen und mit Tränen in den Augen habe ich es wirklich gemacht – Text für Text. Danach ging alles so schnell… das Kennenlernen von meinem Freund, der erste Job, die Bachelorarbeit, das Zusammenziehen, der erste Vollzeitjob, das Masterstudium Interkulturelle Kommunikation, die weiteren Jobs und das Auslandssemester in Italien. Wenn ich auf die letzten 10 Jahre zurückblicke, kommen mir vor allem direkt so viele Menschen ins Gedächtnis, die ich auf meinem Weg kennengelernt habe. Ob während meiner Au-Pair-Zeit, während der Studienzeit, im ClubIn, in der Arbeit oder privat durch andere Freund:innen. Wir haben so viele schönen Erinnerungen zusammen geschaffen, waren und sind füreinander da und ohne jede:n Einzelnen wären die letzten 10 Jahre nicht so gewesen, wie sie gewesen sind. Ich bin für jede:n so dankbar. Ich habe von ihnen so viel gelernt und so viele neuen Perspektiven gewonnen, die einfach unersetzbar sind.
Jetzt, wo ich das Review passieren lasse, muss ich innerlich lachen, auch über mich selbst. Alles, was damals so unerreichbar und fern schien, ist entweder doch Realität geworden – oder auch nicht, aber dann aus einem guten Grund. Ich habe aus jeder Situation etwas gelernt und dabei eine neue Erfahrung gesammelt. Alles hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Wenn ich die Möglichkeit hätte, mit der Aga von vor 10 Jahren zu sprechen, vielleicht im Zug, als sie damals mit vielen Fragezeichen im Kopf und voller Ungewissheit nach München gefahren ist, würde ich ihr sicherlich zwei Dinge sagen: mache dir keinen Kopf und mache es langsam, Schritt für Schritt. Man kann nicht alles planen, auch wenn mein heutiges Inneres ich es manchmal immer noch denkt und versucht, umzusetzen. Und wer weiß, was sagt mir mein zukünftiges Ich im Jahr 2034? Ich lasse mich überraschen und bin schon sehr gespannt darauf, was noch kommt.