Von Jasmin Liese
Als Münchner Kindl darf ich mich selbst sicher nicht bezeichnen. Ich bin auch nur eine Zuagroaste (Bayerisch für: Zugereiste) aus dem nahen Ingolstadt. Dennoch sehe ich München aktuell als mein Zuhause. Man könnte meinen, dass ich die Stadt deshalb so gut kenne wie meine Westentasche. Aber weit gefehlt! Erst durch meine internationalen Freunde habe ich Ecken und Eigenheiten entdeckt, wo ich noch nie war oder die mir bis dahin nie aufgefallen sind.
Das fängt schon ganz simpel mit dem Essen an. Natürlich mache ich ab und zu mal ein Weißwurstfrühstück mit Freunden und Schnitzel gehört zu meinen Lieblingsgerichten, aber zum Alltag gehört das für mich nicht. Vielleicht auch, weil ich die untalentierteste Köchin bin, die die Welt je gesehen hat. Als mich eine chinesische Freundin gefragt hat, welche Restaurants ich empfehlen kann, sind mir zunächst nur Burgerläden und Pizzerien eingefallen – und eine Dönerbude, bei der man selbst nachts noch etwas zu Essen bekommt. Schlussendlich waren wir doch noch gemeinsam in einem bayerischen Restaurant. Ihre Frage hat mir nochmal bewusst gemacht, dass München weit mehr zu bieten hat als die Biergartenkultur. (Versteht mich nicht falsch. Ich gehe liebend gern in den Biergarten.)
Ähnlich wie beim bayerischen Essen hat mich erst eine ausländische Freundin auf ein anderes Münchner Original gebracht. Die Rede ist vom Lederhosentraining, bei dem Hunderte im Englischen Garten gemeinsam Sport machen, angeleitet von einem Fitnesstrainer in Lederhose. Eine italienische Kommilitonin hat mich beim ersten Mal mitgenommen und nicht etwa eine Münchnerin.
Eine weitere Gelegenheit die Stadt besser kennen zu lernen, war die Schnitzeljagd „City Bound“ vom ClubIn. Dabei haben die Teilnehmer verschiedene Aufgaben per Handy geschickt bekommen und mussten so quer durch München fahren und Beweisfotos schicken. Die letzte Aufgabe „Fotografiere einen Mops-Hund“ hat dazu geführt, dass ich seitdem am liebsten jeden Mops auf der Straße ablichten würde. (Davon gibt es gefühlt sogar noch mehr als vom Münchener Dackel. Achtet ruhig mal selber darauf!)
Nicht ganz so euphorisch bin ich bei der deutschen Bürokratie. Da kommt auch kein Münchener dran vorbei, aber vor allem für Ausländer ist es sehr verwirrend, wann sie wo und warum zu welchem Amt müssen. Ein australischer Bekannter hat mal gesagt: Erst wenn man KVR, also Kreisverwaltungsreferat, fehlerfrei aussprechen kann, ist man in München angekommen.
Leider habe ich auch sehr negative Seiten von München miterlebt – und damit meine ich nicht die langen Wartezeiten im KVR. Ein chinesischer Freund ist einmal sehr eingeschüchtert in die Uni gekommen, weil er am Abend zuvor in der U-Bahn rassistisch beleidigt und geschubst wurde. Da er gut Deutsch spricht, hat er alle Beleidigungen verstanden. Um nicht noch mehr Aggressionen auszulösen, hat er allerdings geschwiegen und ist an der nächsten Haltestelle schnell ausgestiegen. Ein anderes Mal war ich mit Frauen aus Nigeria unterwegs und ein Deutscher hat uns hinterher gerufen: Wir sind hier nicht im Dschungel! Das hat mich extrem schockiert. Ich wusste überhaupt nicht wie ich reagieren sollte. Das einzig Gute in der Situation war, dass die Frauen zu sehr in ihr Gespräch vertieft waren, um den beleidigenden Satz wahrzunehmen.
Zum Glück sind diese bösen Erfahrungen nicht der Normalfall. Die meisten Erlebnisse sind positiv. Oft sind es vermeintlich kleine Dinge, die für die größte Begeisterung sorgen: eine Flasche Radler, der erste Schnee oder vom Wohnheim die Allianz Arena bei Nacht leuchten zu sehen. Natürlich nehme ich das auch alles wahr, aber ich habe aufgehört, mich besonders darüber zu freuen. Erst meine internationalen Freunde und meine Arbeit im ClubIn haben mich wieder wach gerüttelt. München ist sehr vielfältig, wenn man die Augen offen hält und auch mal aus seiner Komfortzone herausgeht. Zu meinen einprägsamsten München-Erlebnissen zählt mittlerweile ein kühles Radler im Biergarten genauso dazu wie nigerianische Kochbananen und chinesische Reisbällchen.