diversity München – Münchens LesBiSchwulen und Trans* Jugendorganisation stellt sich vor

Heute haben wir uns mit Philipp getroffen, der als Referent bei der Jugendorganisation Diversity München aktiv ist. Was sich hinter dieser besonderen Organisation verbirgt, erfahrt ihr in diesem Interview.  

Foto: diversity München

Hallo Philipp! Schön, dass du dir Zeit für ein Gespräch mit uns nimmst. Magst du dich unseren Leser*innen kurz vorstellen? 

Philipp: Ja gerne, mein Name ist Philipp. Ich bin im Vorstand von diversity München und Referent bei diversity@school. Nebenbei studiere ich. Mittlerweile bin ich über fünf Jahre bei diversity aktiv.

Es freut mich sehr, dass ich dieses Interview mit dir führen darf. Was für ein Verein ist denn diversity München genau und was unterscheidet diversity München von anderen Jugendverbänden? 

Philipp: diversity München ist ein Verein, den es schon seit vielen Jahren gibt, seit ungefähr 2007. diversity ist eine queere Jugendorganisation für alle Menschen, die sich abseits der Cis- und Hetero-Normen identifizieren und zugehörig fühlen. 

Moment, außerhalb der Cis- und Hetero-Normen? Was bedeutet das?

Philipp: Cis bzw. cisgeschlechtlich ist eine Bezeichnung für Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ihnen bei ihrer Geburt anhand der Genitalien zugeschrieben wurde. Heterosexualität bedeutet die sexuelle Anziehung zum “anderen” Geschlecht, allgemein gesagt etwa von cis-Frauen zu cis-Männern und umgekehrt. Wir bieten Angebote und Räume für Menschen, die sich außerhalb dieser Normen bewegen. 

Das heißt, wir haben einzelne Gruppen für schwule, lesbische, bisexuelle, trans*, nicht binäre, asexuelle junge Menschen, also für das gesamte queere Spektrum. Und das unterscheidet uns auch von anderen Vereinen. Von anderen Jugendorganisationen unterscheidet uns auch, dass wir “Peer to Peer” sind. Das heißt, (fast) alle, die bei uns arbeiten, ehrenamtlich sowie hauptamtlich, sind selbst in irgendeine Art und Weise queer, identifizieren sich damit oder sind mindestens ein Ally, also eine nicht-queere Person, die sich für die Rechte von queeren Personen einsetzt. Wir sind selbst organisiert und verwaltet, nicht fremdbestimmt, sondern vor allem ehrenamtlich basiert.  Wir haben nur sehr geringe Einnahmen und finanzieren uns hauptsächlich über Zuwendungen öffentlicher Geldgeber sowie Spenden. In München und eigentlich in ganz Deutschland bieten wir ein einzigartiges Angebot in dieser Größe. Das ist etwas, was uns doch besonders macht.

Wow, das klingt wirklich nach einer spannenden Organisation. Die nächste Frage ist, an welche Personen- und Altersgruppen sich die Angebote von diversity richten.

Philipp: diversity München richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene von 14 bis 27. Alle Menschen diese Altersspanne können herkommen und verschiedenste Angebote wahrnehmen. Zum Beispiel gibt es die Gruppe für schwule Jugendliche und junge Erwachsene und eine Gruppe für lesbische Jugendliche und Frauen. Diese Gruppen sind dann noch unterteilt in eine Gruppe für jüngere Teilnehmer*innen von 14 bis 19 und eine Gruppe von 18 bis 27. Die Gruppen sollen dann entsprechend nicht von jüngeren oder älteren Teilnehmer*innen besucht werden. Es gibt aber auch Gemeinschaftsangebote und einen Barabend zum Beispiel, wo jeder Mensch hinkommen kann. Es gibt auch Gruppen, wie zum Beispiel unsere trans* Gruppe, eine nicht-binäre Gruppe und eine bisexuelle Gruppe, die keine zusätzliche Altersbeschränkung haben, sondern nur diese große Altersbeschränkung 14 bis 27. Die Informationen sind für alle transparent. Ein Jugendlicher, der zum Beispiel gerade ein Identitätsfindung durchmacht, hat ein anderes Schutzbedürfnis in dieser Gruppe als Menschen, die schon schon weiter in ihrer Identitätsentwicklung. Allys sind bei uns, wie gesagt, auch willkommen. Sie können sich bei uns auch engagieren oder dabei sein. 

Und was mache ich jetzt, wenn ich das Gefühl habe, ich könnte in mehrere dieser Untergruppen gut passen? 

Philipp: Es gibt auf der einen Seite identitätsübergreifende Gruppen, wie NoDifference!, z.B. die für größere Partys zuständig ist und jeder hingehen kann. Auf der andere Seite gibt es identitätsspezifische Gruppen, wo nur die Leute hingehen können, die sich dieser Identität zugehörig fühlen. Natürlich kann eine Person sowohl lesbisch sein als auch geflüchtet. Zusätzlich könnte die Person auch in die asexuell-aromantische Richtung tendieren oder sich vielleicht über ihre Sexualität unsicher sein und sich damit drei Gruppen mal anschauen können. Das bildet auch die Vielfalt der queeren Community ab, dass die Identitäten nicht eindimensional sind, sondern jeder Mensch tendenziell mehrere Identitäten in sich vereinen kann.

*Es gibt in diversity München einzelne Gruppen für verschiedene sexuelle und geschlechtliche Identitäten. Unter dem folgendem Link findet ihr mehr Information darüber.*

https://diversity-muenchen.de/de/gruppen/

Kannst du noch mehr erzählen zu den Angeboten, die diversity seinen Besucher*innen bietet? 

Philipp: Das können Freizeitangebote sein, es können aber auch kleine Workshops sein. Wir machen auch Tagesausflüge. Es gibt zum Beispiel Ausflüge in den Englischen Garten. Oder unsere Freizeitfahrten zu relativ geringen Kosten. Wir haben darüber hinaus einen regelmäßigen Barabend, der immer mittwochs stattfindet. Es gibt mittlerweile auch ein Schwimmangebot in Kooperation mit TINQnet, wo auch diversity München unterstützt. Es ist ein Angebot für alle nicht-binären, trans* und inter* Menschen, die häufig sehr starke Hemmungen beim Schwimmen haben. Wir gehen Kegeln, Bowling, Grillen oder machen einfach nur Spieleabende in den diversity Räumen. Man kann es sich wirklich, wie ein ganz „normales“ Jugendzentrum vorstellen. Mit dem Unterschied, dass alle hier queer oder zumindest ein Ally sind. Man kann sich hier sicher und geborgen fühlen, was queere Jugendliche oft in anderen Vereinen nicht können, sich nicht ausleben können.

Ihr bietet also eine große Bandbreite an Freizeitaktivitäten und Kontaktmöglichkeiten.

Philipp:  Ja, aber diversity München hat nicht nur Gruppenangebote für Freizeit, sondern auch Beratungsangebote. Zum Beispiel diversity@school, das ich ja am Anfang schon erwähnt habe. diversity@school ist ein Aufklärungsprojekt, mit dem wir Schulen besuchen, um den Jugendlichen, jungen Erwachsenen aber genauso auch Lehrkräften und anderen pädagogischen Fachkräften das Thema Queer näherzubringen und einfach zu zeigen, dass die Welt nicht nur aus Heterosexualität und Cis-Geschlechtlichkeit besteht. 

Wir haben aber auch Beratungsangebote an sich, wo unsere sozialpädagogischen Fachkräfte zum Beispiel Jugendliche und Erwachsene unterstützen, beim Coming-Out-Prozess, bei Schwierigkeiten im Elternhaus und Mobbing. Wir haben Fachkräfte, die Schulungen anbieten, zum Beispiel für euch als Multiplikator*innen im ClubIn, sodass ihr besser mit euren Besucher*innen umgehen könnt, falls die selbst in irgendeiner Form queer sind. Unsere Sozialpädagog*innen sprechen auch mit Eltern, wenn es da Schwierigkeiten, Unsicherheiten oder Ängste gibt. Unsere Angebote sind wirklich sehr breit gefächert. Von reiner Freizeit bis struktureller Beratung bieten wir eigentlich alles. 

Du hast vorhin schon kurz die Allys angesprochen. Ich frag nochmal genauer nach:  Dürfen auch Menschen, die sich nicht als queer definieren, diversity besuchen?

Philipp:  Manche Angebote sind explizit als Schutzraum gedacht, wo das Angebot sich speziell an jene Menschen richtet, die sich selbst mit ihrer Identität dieser Gruppe zuordnen. Das heißt, wenn wir ein Angebot dezidiert für schwule oder bisexuelle Jungs im Alter von 14 bis 19 Jahren haben, dann sind dort primär diese jungen Menschen angesprochen. Die Gruppe richtet sich dann einfach nur an diese Zielgruppe, weil der Schutzraum dadurch aufgeweicht werden könnte, wenn plötzlich andere queere Identitäten da auftauchen. Unsere Angebote richten sich aber ja auch an Menschen, die unsicher sind oder noch nicht wissen, wo ihr Weg jetzt hingeht oder wie sie sich identifizieren sollen. Es gibt daher auch Angebote, die offen für alle sind. Natürlich sind die Angebote primär für queeres Publikum gedacht, aber alle, die möchten können dorthin kommen, sich das anschauen, eine schöne Zeit haben. Natürlich vorausgesetzt, dass man sich respektiert, dort natürlich die Identitäten nicht diskriminiert und so weiter. Es hängt immer so ein bisschen davon ab, wie weit dieses Angebot als Schutzraum gilt.

Die nächste Frage betrifft dich persönlich. Wie bist du denn selbst zu dem Verein diversity gekommen und wieso engagierst du dich hier? 

Philipp: Ich bin nach München gekommen, um zu studieren. Es ist jetzt sechseinhalb Jahre her. Ich habe dann über Bekannte und Freund*innen vom diversity Barabend erfahren. Ich habe mich da auch sehr wohl gefühlt und bin da auch immer wieder hingegangen. So habe ich dann auch Leute kennengelernt, die sich bei der diversity engagieren und habe dann angefangen im Winter 2017  selbst bei diversity@school aktiv zu werden und bei den Workshops mitzumachen.

Gab es einen besonderen Moment während deiner Arbeit als Ehrenamtlicher, bei dem dir bewusst geworden ist, wie wichtig die Arbeit, die diversity leistet, ist?

Philipp: Ich kann vor allem im Kontext mit diversity@school sprechen, wo wir schon etliche Male in den Schulen waren, und dann einige Monate nach diesem Workshop plötzlich bei einem Barabend Jugendliche auf uns zugekommen sind und gesagt haben „Hey, ich war bei dir in einem Workshop. Danke, dass du uns es vorgestellt hast.“  Wenn wir in die Schulen gehen, uns sichtbar machen und sagen „Wir sind von der diversity München, kommt vorbei! diversity ist ein Ort, wo ihr respektiert und anerkannt werdet,  egal wer ihr seid!“, dann ist es immer schön zu sehen, dass das einen Effekt hat. Die Menschen finden dann zu uns, was sie vorher nicht gemacht haben. Es gibt auch positive Rückmeldungen von den Schüler*innen nach den Workshops z.B. und auch von den Lehrkräften. Natürlich auch viel Wertschätzung von der restlichen Community. Vor allem diese zwischenmenschliche Kontakte sind kostbar, wenn man wirklich jemanden vor sich hat, der*die sich für das Angebot und die Info bedanken.  Das ist dann sehr viel wert und ist super schön!

 Wow, ich kann mir deine Motivation für den Job, den du leistest, vorstellen.

Philipp: Der Kontakt zur queeren Menschen sorgt einfach am besten für die Verringerung von Vorurteilen, Stereotypen und negativen Ansichten gegenüber einer anderen Gruppe. diversity München ist deswegen so wichtig, weil wir einzigartig in München sind. Es gibt viele queere Menschen. Wir werden ja immer klein geredet, aber wir sind ein nicht zu vernachlässigender Teil der Gesellschaft. Wir brauchen diese Sichtbarkeit, um den Teil der Gesellschaft, der uns nicht offen gegenüber ist, zu verändern. Deshalb sind wir auch bei so vielen Veranstaltungen aktiv. Wir sind mittlerweile auch Mitveranstalter des CSD München, des Christopher Street Days. Das ist eine jährlich durchgeführte Demonstration für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Inter* und queeren Menschen. Unsere Angebote bieten sowohl Schutz nach Innen als auch Sichtbarkeit nach Außen.

Vielen Dank, dass du uns so einen detaillierten Einblick in die Arbeit von diversity und auch dein persönliches Engagement gegeben hast. Gibt es noch etwas, was du unseren Leser*innen mitteilen möchtest?

Philipp:  Ja, wir sind immer auf der Suche nach Ehrenamtlichen aber auch Besucher*innen. Unsere Angebote sind nur so gut und so wertvoll, solange wir die Leute haben, die sie organisieren und die Gäste, die kommen. Ich meine, der Name sagt ja schon, wir sind das diversity. Wir wollen vielfältig sein, wir wollen Unterschiedlichkeiten anerkennen, wertschätzen und respektieren. Nicht nur auf der Ebene der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt, sondern darüber hinaus.  Deshalb arbeiten wir gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit in Form von Diskriminierung und dulden es hier auch nicht. Wir sind entsprechend auch ein Rückzugsort und ein Schutzraum für andere Identitäten. Ein Mensch, der sowohl zur queeren Community gehört als auch zu einer migrantischen Gruppe soll hier bei uns natürlich weder Homo- oder Transfeindlichkeit erfahren noch Rassismus. Das ist uns sehr wichtig. Wir sind ein Schutzraum und eine Anlaufstelle für alle Menschen unabhängig ihrer Identität, vor allem für Menschen, die noch viele Identitäten haben könnten.

Das war jetzt ein perfekter Schlusssatz. (Beide lachen)

Ihr möchtet gerne mal bei diversity vorbeischauen oder Kontakt aufnehmen? Dann helfen euch folgende Seiten weiter: 

https://diversity-muenchen.de/de/

https://www.instagram.com/diversitymuenchen/

https://www.facebook.com/diversityMuenchen/

https://diversity-muenchen.de/de/jugendorganisation/kontakt/

Wenn ihr euch weiter informieren möchtet, findet ihr unter den folgenden Links die wichtigsten Begriffe der LGBTIQ Community:

https://www.wmn.de/love/selbstliebe/liste-der-sexualitaeten-diese-orientierungen-gibt-es-in-der-lgbtq-community-id309235

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