– “Und du, woher kommst du denn?”– “Ach, es ist kompliziert”

Von Agnieszka Biernacka 

Ich bin in Berlin, auf dem Weg vom Flughafen ins Hotel. Ich sitze im Taxi und unterhalte mich mit dem Taxifahrer. Dann frage ich: “Und, wie ist das Leben in Berlin so? Magst du es hier?” Letztendlich haben wir noch knapp 50 Kilometer vor uns und ich will nicht die ganze Zeit schweigen. Darauf bekomme ich die folgende Antwort: “Ja, Berlin ist eine geile Stadt. Aber die Deutschen… die mag ich nicht so gerne. Ich bin ein gebürtiger Berliner, aber gleichzeitig auch ein Türke. Die Deutschen hier sind anders”. Seine Antwort überrascht mich, ich wollte eigentlich ein Gespräch über die allgemeinen Lebensbedingungen in Berlin führen. Ich hatte eher eine Antwort zu Mietpreisen oder Jobmöglichkeiten erwartet. Dann fragt er mich: “Und, woher kommst du denn?” Seine Frage wundert mich nicht, ich bekomme sie relativ oft. Meine Antwort: “Ach, es ist kompliziert.” Es kommt ein: “Oho, jetzt wird es spannend.” –  “Naja, ich bin Polen geboren und aufgewachsen, lebe seit dem 19. Lebensjahr in Deutschland und gerade wohne ich in Italien, wo ich mein Auslandssemester mache.” 

Jetzt, drei Wochen später, denke ich an diesen Satz zurück. Im ersten Moment bin ich erstaunt darüber, dass ich das Wort “kompliziert” genutzt habe. Mir ist erst nicht ganz klar, wieso ich das getan habe. Aber dann kommt mir doch eine Vermutung. Die Themen Identität und Zugehörigkeit. Ganze Bücher könnte auch ich zu diesem Thema schreiben. Durch mein Masterstudium Interkulturelle Kommunikation und andere persönliche Erfahrungen wurde ich dazu angeregt, mir Gedanken über dieses Thema zu machen. Menschen sind interessiert daran, was man auf die Frage, woher man kommt, antwortet, aber sie erwarten oft eine eindeutige Antwort, damit sie einen klar und deutlich zuordnen können. Vielleicht wollte ich deshalb mit dem Wort “kompliziert” auf eine Art vorwarnen. Vorwarnen, dass ich keine eindeutige Antwort liefern werde. Ich möchte es auch nicht. 

Natürlich weiß ich, wo meine Wurzeln sind, wo meine Familie herkommt und was mich zu einem großen Teil geprägt hat. Ich kann aber nicht bestreiten, dass das Leben in Deutschland mich auch geändert hat. Ich bin mir sicher, dass ich mich noch weiterhin verändern werde. Während meines Auslandsaufenthalts in Italien zum Beispiel. 

Ich hatte in den letzten Monaten in Italien so viele “Aha-Momente”. Ich habe in so vielen Situationen gesagt: “Oh, das ist wie bei mir daheim!” Aber welches Zuhause habe ich gemeint? Ein Mal das polnische, in dem meine Eltern und meine ganze Familie leben und wo meine Wurzeln sind. Ein anderes Mal das deutsche, welches ich mir selbst über die letzten acht Jahre als Erwachsene aufgebaut habe. Beides ist mein Zuhause. Beides sind Orte, in denen ich mich am Ende des Tages bedingungslos sicher und wohl fühle. Ich habe einen guten Vorsatz: Einfach zu akzeptieren, dass es keine eindeutige Antwort darauf gibt, woher ich komme oder wer ich bin, aber gleichzeitig versuchen, nicht automatisch das Wort “kompliziert” dabei zu nutzen. 

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