Mein tätowierter Opa

Von Agnieszka Biernacka

In den letzten Jahren habe ich das Gefühl, dass Tattoos keine große Diskussion mehr bei den meisten Menschen wecken. Egal ob voll tätowiert, ob bunt oder schwarz. Jede:r kann das tragen, was und wo er oder sie will. Ich selbst habe mir mein erstes Tattoo erst vor drei Jahren gemacht, zusammen mit meiner Schwester. Wir wollten etwas Gemeinsames haben, etwas, was wir uns jederzeit anschauen können und dann sofort aneinander denken werden. Es sind am Ende vier kleine Schneeflocken geworden, die für uns eine persönliche Bedeutung haben. Ich habe mein Tattoo an dem linken Knöchel, meine Schwester an dem rechten. 

Eigentlich möchte ich in diesem Artikel aber eine kurze Anekdote darüber erzählen, wie ich mit Tattoos aufgewachsen bin. Mein Opa väterlicherseits hat nämlich die beiden Unterarme mit großen Tattoos voll bedeckt. Er hat sie sich zu einer Phase in seinem Leben stechen lassen, in der nicht alles ganz glatt lief. Und hat dabei einfach nicht viel über die Konsequenzen nachgedacht. Denn in Polen  waren Tattoos sowohl zu dem Zeitpunkt, als die Tattoos auf seinem Arm entstanden, als auch noch in meiner Kindheit gesellschaftlich mit starken Vorurteilen behaftet: Mit Tattoos galt man als kriminell und weckte Angst bei denjenigen, die das Tattoo zu Gesicht bekamen. Als Kind habe ich nicht verstanden, dass die “Bilder”, die mein Opa an seinem Körper hatte, eigentlich Tattoos sind. Ich habe ihn so geliebt, wie er war. Der andere Opa hatte zwar keine, ich habe das aber nie hinterfragt. Es war einfach so, wie es war und ich hatte zwei richtig tolle Opas.

Aber nicht alle in meinem Umfeld gingen so entspannt mit den Tattoos meines Opas um. Dies zeigt sich beispielsweise in einem Ereignis, das sich während meiner Kindergartenzeit am Oma- und Opa-Tag zugetragen hat. In Polen wird am 21. und am 22. Januar der Oma- und Opa-Tag gefeiert. In meiner Kindheit wurde aus diesem Anlass normalerweise ein Kaffee- und Kuchennachmittag im Kindergarten oder in der Schule organisiert. Einmal haben wir sogar Porträts unserer Großeltern gemalt. So wie alle anderen Kinder habe ich auch meine Omas und Opas gemalt, mit allem was dazugehört hat, auch mit den Tattoos. Die Erzieherin wusste nicht so wirklich, was es mit den großen Bildern auf den Armen meines Opas auf sich hat, deshalb hat sie meinen Vater eines Tages darauf angesprochen, um eine unangenehme Situation während des Festes zu vermeiden. Sie befürchtete nämlich, dass es meinem Opa peinlich sein könnte, wenn ich ihm ein Bild von sich selbst mit den für viele so furchterregenden Tattoos schenken würde. Daher zog sie erst meinen Vater ins Vertrauen.

All dies habe ich erst Jahre später erfahren, als ich mich  mit meinem Vater darüber unterhalten habe. Er meinte, dass das Gespräch mit der Erzieherin damals sehr amüsant war. Die Erzieherin hatte null Ahnung, wie sie das Bild von mir vor ihm ansprechen sollte und druckste rum. Da mein Opa sein Vater war und mein Vater selbst in seiner Schulzeit oft genug nach dessen Tattoos gefragt worden war, wusste er sofort, worum es ging und was er zu sagen hatte. Nachdem er ihr offen erklärt hatte, dass es sich bei den Bildern tatsächlich um Tattoos handelte, war es ihr richtig peinlich, dass sie ihn auf dieses tabu-behaftete Thema angesprochen hatte. Sie hat das Gespräch dann sofort beendet.

Heutzutage erzähle ich sehr gerne, dass mein Opa Tattoos ist. Es ist witzig zu denken, dass dein eigener Opa die Trends setzte, bevor es cool war, voll tätowiert zu sein. Und es ist gut zu wissen, dass es heutzutage nicht mehr gesellschaftlich kritisiert wird.

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