Diesmal durften wir für unsere Reihe “Mein Blick auf Deutschland” ein Interview mit Deyna Bobadilla führen. Sie wohnt seit vier Jahren in Deutschland und studiert gerade Soziale Arbeit.
Hattest du vor deiner Einreise in Deutschland irgendwelche Klischees im Kopf? Und was davon hast du tatsächlich am eigenen Leib erlebt?
Vor meine Einreise nach Deutschland habe ich gehört, dass die Deutschen sehr kalt, direkt, streng und pünktlich sind. Da wusste ich schon, dass ich in Deutschland besonders am Anfang mit meiner Unpünktlichkeit zu kämpfen haben würde. Als ich mein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht habe, war mein Chef auch sehr direkt mit mir. Er wollte immer direkte Antworten auf seine Fragen haben. Wie z.B. „Kannst du das machen? Ja oder nein?“ So in der Art sollte es gehen. Mittlerweile schätze ich sogar Pünktlichkeit und diese Direktheit. Früher fiel es mir schwer zu irgendetwas „nein“ zu sagen. Jetzt kann ich das machen und es geht mir damit auch besser, denn dann bin ich später nicht überfordert mit all den Sachen, zu denen ich vorher zugestimmt habe.
- Was ist Deine erste Erinnerung an Deutschland?
Meine ersten Erinnerungen an Deutschland sind Ordnung und die vielfältigen Festivals. Man kann im Park chillen, grillen, spielen usw. Ich habe in Peru im Sommer nie so viele Unternehmungsmöglichkeiten gehabt. In Peru findet man normalerweise keine Parks. Und wenn, dann sind sie höchstwahrscheinlich verschmutzt. Ja, das sind meine ersten und schönsten Erinnerungen an Deutschland. Ich war AuPair und nach der Arbeit bin ich immer in den Park chillen gegangen.
- Was gefällt Dir momentan in Deutschland, von der Natur, Kultur und Lebensweise her? Was findest du eher nervig?
Mir gefällt an erste Stelle die Sicherheit, die ich als Frau hier habe. Ich kann nachts allein unterwegs sein und normalerweise passiert nichts. Ich fühle mich sicher. Ok, ich muss zugeben, dass ich sogar hier immer vorsichtig bin. Doch ich weiß, ich muss hier keine Angst davor haben, dass mich hier jemand mit einer Waffe bedroht, um meine Sachen zu stehlen. Sowas ist mir tatsächlich in Peru passiert. Als ich mit meinem Handy telefoniert habe, sind zwei Männern aus einem Auto ausgestiegen und haben mich mit einer Waffe bedroht, um mein Handy zu kriegen.
Was mir noch gefällt ist das Verkehrssystem in Deutschland, wie U-Bahn und S-Bahn z.B. So hat man mehr Möglichkeiten, um an den Zielort zu kommen. In Peru spielt sich der Verkehr nur auf der Straße ab und deswegen ist die Straße ein wenig überfordert. Nehmen wir als Beispiel die Strecke zwischen ClubIn und Marienplatz. In München dauert es normalerweise 20 Minuten, um Marienplatz zu erreichen. In Peru würde es 40 Minuten oder sogar ganze Stunde dauern.
Ich finde es auch sehr beeindruckend, dass man in Deutschland ohne triftigen Grund kaum ein Auto hupen hört.
- Woran musstest Du dich in Deutschland gewöhnen?
Ich müsste mich besonders an die Pünktlichkeit gewöhnen. Besonders wegen der S-Bahn oder U-Bahn. In Peru habe ich mich normalerweise einfach fertig gemacht und bin rausgegangen. Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren da ohne bestimmten Zeitplan. Am Anfang habe ich es in Deutschland auch so gemacht, wie in Peru. Ich wusste nicht, dass hier der öffentliche Verkehr eine bestimmte Ankommenszeit hat. Ich bin immer einfach raus gegangen ohne an die MVV-App zu schauen und mich dazu anzupassen, bis der Winter gekommen ist. Ich musste dann öfters draußen in der Kälte auf die S-Bahn warten, da ich entweder einen knapp verpasst habe oder ein Zug ausgefallen ist oder ich war einfach im falschen Zeitpunkt dort. Nach paar solche Situationen gehe ich lieber pünktlich raus und schaue immer zuerst wann der nächste S-Bahn fährt.
- Hast Du hier in Deutschland schon mal interkulturelle Missverständnisse erlebt?
Missverständnisse sind mir wegen meines “peruanischen Humors” passiert, wie ich das gerne nenne. In Peru oder gar in Lateinamerika ist es so, man “ärgert” einander gern. Das ist aber völlig als Spaß gemeint. Zum Beispiel, wenn jemand zu spät kommt, weil der Bus Verspätung hat, könnten Peruaner “gemein” sein und so tun als ob sie diesem Menschen nicht glauben. Anschließend könnten sie auch sarkastisch sagen: “Ja, genau der Bus ist spät gekommen. Vielleicht bist du selber zu spät zum Bus gelaufen” oder etwas ähnliches. Ärgern halt!
Solchen Humor aber halten Menschen in Deutschland meist für nicht witzig oder vielleicht sogar beleidigend. Da versuche ich schon ein wenig vorsichtiger zu sein. Ein Beispiel von meinen Erfahrungen in Deutschland: Eine Kommilitonin von mir hat mal bei einer Gruppenarbeit geschrieben, dass sie nur eine Stunde dabei sein könne. Da habe ich dann sarkastisch geantwortet “Oh nein, so können wir aber nicht weiter lernen!” und dazu noch “Spaß!” geschrieben. Sie hat sich dann nicht mehr gemeldet. Ich dachte mir dann, dass ich sie vielleicht beleidigt habe.
Beim Abschied oder der Begrüßung habe ich auch Missverständnisse erlebt. Ich bin es nämlich gewöhnt Menschen beim Abschied oder Begrüßung zu umarmen oder Küsschen auf die Wangen zu geben. Das ist in Peru so üblich. Doch hier habe ich gemerkt, dass die Leute sich oft zurückgezogen haben, als ich sie umarmen wollte. Da musste ich mich auch umgewöhnen.
- Hast du eine Lieblings-Redewendung oder Phrase auf Deutsch, die du lustig findest oder die dir besonders gefallen.
„Nicht um den heißen Brei herumreden!“ Ich mag diese Redewendung, weil sie erinnert mich an die Direktheit der Deutschen. Die Deutsche mögen es nämlich nicht um den heißen Brei herumzureden!
„Ich drücke dir die Daumen!“ – gefällt mir auch sehr.