Ein Abschiedsgespräch mit Clubbesucher Xhevat
Von Marilu Gasparo
Xhevat ist 24 Jahre alt, besucht den Club schon seit langem und hat vor kurzem eine für ihn sehr wichtige Entscheidung getroffen. Nach fünf Jahren in Deutschland hat er beschlossen, in sein Herkunftsland zurückzukehren: Albanien. In diesem Interview erzählt Xhevat von seinen Erfahrungen in Deutschland und wie er zu dieser Entscheidung kam.
Hallo Xhevat, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast! Wir sind sehr gespannt, von dir zu hören.
Xhevat: Aber sehr gerne!
Du bist 2017 nach Deutschland gekommen um Deutsch zu lernen. Wieso wolltest du Deutsch lernen und hier studieren? Wie würdest du deine Erfahrung in Deutschland beschreiben?
Xhevat: Genau, ich bin vor fünf Jahren nach Deutschland gekommen, nachdem ich mein Studium der Germanistik in Albanien begonnen hatte. Der beste Weg, die Sprache zu lernen, war für mich, nach Deutschland zu kommen.
Meine Deutschlehrerin hat mich sehr ermutigt, und trotz der Schwierigkeiten mit den verschiedenen Dokumenten habe ich mich schließlich entschlossen, nach Deutschland zu ziehen und die ersten Monate als Au-pair in einer Familie zu arbeiten.
Meine deutsche Familie spielte eine sehr wichtige Rolle für mich, sie wurde zu meiner zweiten Familie und hat mir erlaubt, weitere drei Jahre bei ihr zu leben.
Diese ersten drei Jahre waren reich an Erfahrungen und auch ein bisschen chaotisch (lacht). Es waren Jahre voller Spaß, Reisen und neue Freunde. Außerdem habe ich das Niveau C2 in Deutsch erreicht und von Germanistik auf ein Sozialarbeitsstudium umgesattelt. Bei dieser Universitätslaufbahn habe ich allerdings schon nach dem ersten Jahr gemerkt, dass sie nicht der richtige Weg für mich war.
Das klingt nach einer aufregenden und abenteuerlichen Zeit! Gab es in diesen Jahren auch etwas, das du an Albanien vermisst hast?
Xhevat: Ich habe meine Familie definitiv am meisten vermisst. Aber auch das Klima, das Essen und die Freunde. Hier in München habe ich immer nach etwas Ähnlichem gesucht, was mir fehlte, aber ich habe es nie gefunden. Hier habe ich zwar gemerkt, dass Menschen aus sehr unterschiedlichen Ländern sich ähnlich sein können, die gleichen Emotionen erleben und sich dadurch sehr nahe fühlen können, und ich bin sehr dankbar für diesen kulturellen Austausch, den Deutschland mir ermöglicht hat. Aber trotzdem kann ich dieses Gefühl nicht damit vergleichen, in meinem eigenen Heimatland von lebenslangen Freunden umgeben zu sein. Vielleicht spielt dabei auch die Sprache eine Rolle.
Jetzt hast du beschlossen, nach Albanien zurückzukehren und dein Leben dort neu zu beginnen. Magst du uns erzählen, wie du zu dieser Entscheidung gelangt bist?
Xhevat: Der Gedanke war schon seit etwa zwei Jahren in meinem Hinterkopf. Die Pandemie war auch für mich eine sehr schwierige Zeit. Damals war ich gerade alleine in eine Wohnung umgezogen und hatte meine Ausbildung begonnen. Vielleicht hab ich dort angefangen, darüber nachzudenken, dass die Zeit schnell vergeht und ich viele Dinge in meinem Land verpasse. Aber die Entscheidung, zurückzukehren, fiel mir nicht leicht und hat mich viele Nerven gekostet. In den letzten fünf Jahren hat der Zustrom von Migrant*innen aus Albanien stark zugenommen, so dass die Freund*innen, denen ich von meinem Rückkehrwunsch erzählte, mich fragten, ob ich verrückt sei! Sie sagten mir, ich hätte Glück, dass ich schon ein Leben in Deutschland habe, dass ich die Sprache beherrsche und dass ich nicht zurückkehren müsse. Ich kämpfte mit meinem Ego, dem Ego, das mir sagte, dass ich nicht wegwerfen sollte, was ich mir bis jetzt aufgebaut hatte. Aber dann wurde mir klar, dass ich meinen Gefühlen folgen sollte. Ich möchte ein glückliches Leben führen, und ich habe das Gefühl, dass ich mich in Albanien glücklicher fühle, und das ist das Wichtigste.
Das stimmt! Gab es denn, außer deiner emotionalen Verbundenheit, noch weitere Faktoren die dich dazu bewogen haben, diese Entscheidung zu treffen?
Ein weiterer wichtiger Faktor bei dieser Entscheidung war die Tatsache, dass meine Familie ein Renovierungsunternehmen besitzt und ich neue Pläne für unser Unternehmen habe.
Wow, man merkt, du hast einen langwierigen Entscheidungsprozess hinter dir. Gab es denn einen Schlüsselmoment, in dem du dir plötzlich sicher warst?
Der Schlüsselmoment für die Entscheidung war ein Treffen mit meiner Familie. Meine Eltern sagten mir, dass sie mich bei meiner Entscheidung unterstützen würden, dass es aber an der Zeit sei, nicht länger zu zögern. Mein Vater gab mir eine Woche Zeit, um mich zu entscheiden, aber es dauerte nur zwei Stunden, bis mir klar wurde, dass ich nach Albanien zurückkehren wollte. Ich würde sagen, es war eine Entscheidung, die zu 49% mit dem Kopf und zu 51% mit dem Herzen getroffen wurde.
Wie schön, vielen Dank für deine so ausführlichen und auch emotionalen Antworten. Mit welchen Gefühlen blickst du auf die kommende Zeit und dein neues Lebenskapitel?
Xhevat: Ich muss sagen, dass eine gewisse Unsicherheit auch dabei ist, weil ich nicht genau weiß, was mich erwartet. Aber ich habe Perspektiven und Ziele, und ich glaube, dass mit klaren Zielen alles machbar ist. Ich bin auch sehr neugierig!
Wie wird dein Leben in Deutschland dein neues Leben in Albanien beeinflussen?
Xhevat: Ich denke, meine Erfahrungen in Deutschland werden mich beruflich und auch in meinen zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflussen. Zunächst einmal bin ich hier ein pünktlicher Mensch geworden, aber vor allem habe ich die in Albanien vorherrschende Mentalität verloren, nach der immer „alles in Ordnung“ ist, auch wenn es nicht so ist, auch wenn eine bestimmte Sache geändert werden muss! In Albanien sind wir viel zu “locker”.
Wirst du etwas von Deutschland vermissen?
Xhevat: Ich werde auf jeden Fall meine deutsche Familie vermissen, bei der ich Au-Pair war, die Menschen, die ich hier kennengelernt habe, und dann die Stadt selbst. München ist für mich zu einer zweiten Heimat geworden. Aber ich bin sicher, dass ich für einen kleinen Urlaub oder für das Oktoberfest nach München zurückkehren werde!
Wenn du heute an dich selbst denkst, glaubst du, dass du dieselbe Person bist, die vor einigen Jahren dein Land verlassen hat?
Xhevat: Auf keinen Fall! Ich habe mich sehr verändert. In diesen fünf Jahren in Deutschland habe ich mich von einem Teenager zu einem jungen Erwachsenen entwickelt. Ich habe jetzt neue Perspektiven für mein Leben. Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden, aber vor allem habe ich jetzt gelernt, das zu schätzen, was zu meinem Leben gehört. Auch die kleinen Dinge.
Vielen Dank, Xhevat! Wir sind sehr beeindruckt von diesem Gespräch und wünschen dir viel Glück!
Xhevat: Vielen Dank! Auch für mich war es gut, meine Zeit in Deutschland zu rekapitulieren.